Auf der vertrauten Straße lässt sich im Dunst der schwülen Hitze die ferne Landschaft auf dem versengten Asphalt des Sommers sich spiegeln sehen.

Alle Fenster der Häuser sind geschlossen, die Vorhänge zugezogen. Keine Menschenseele ist zu sehen. Die Ampeln blinken rot, gelb und blau umsonst in der einsamen Straße, und vereinzelte vorbeifahrende Autos rasen so schnell wie möglich, als schämten sie sich ihrer erstickenden Auspuffgase. Selbst die sonst so lauten Zikaden halten den Atem an.

Von der feurigen Sonne verbrannt und nach Luft schnappend, biege ich in eine schattige Gasse ein, die plötzlich zu einem Feld führt, wo die Häuserreihe ausgehen und ein grasbewachsener Pass weitergeht. Insekten scheinen sich im Schatten des Grases zu verstecken.

In der Ferne sind blasse Berge zu sehen. Der Weg ist weit. Das ist ein uralter Weg, auf dem unzählige Menschen in kirschblütenübersäten Nächten, im dunstigen Mondlicht, unter der heißen Sommersonne, auf Laubstreu in der frischen Herbstluft oder durch eisige Schneestürme gingen.

Wie weit geht der Weg kreuz und quer durch Dörfer und Städten, Flüsse und Berge? Er würde unendlich führen, egal wie weit man geht. Aber irgendwann endet der Weg in einer Sackgasse, weil das Meer den Vormarsch unterbricht.

In uralter Zeit, jedoch, nahm man sich das obstruierende Meer nicht in Acht. Die Tapferen und gleichzeitig Ahnungslosen stiegen in ein kleines unzuverlässige Holzboot und segelten monatelang bei stürmischem Wetter, um ein unbekanntes Land zu erreichen, ohne zu wissen, was sie dort erwartete.

Was trieben sie dazu?

Konnten sie die Gefahr nicht vorhersehen, da sie zu primitiv waren? War Angst in ihrer rauen Gesellschaft eine Schande? Waren sie stolz darauf, ein tödliches Risiko einzugehen? 

Anstatt im Land der Verzweiflung zu verrotten, stachen sie in See und setzten sich für ihre zukünftigen Nachkommen in Gefahr. Wir verdanken ihnen unser Glück und unseren Wohlstand.

Jedes Mal, wenn sie ein neues Land erreichten, wurden sie nicht willkommen geheißen, sondern es erwarteten sie noch schlimmere Naturkatastrophen und gnadenloser Hunger. Es kamen jahrzehntelange Winter, und lebenslang waren sie arktischer Kälte und übermäßiger Hitze entblößt. Viele starben und nur wenige blieben zurück. Dennoch setzten sie ihre Reise auf der Suche nach einem besseren Ort fort.

Schließlich dachten sie, sie hätten ihren endgültigen Ort gefunden. Und sie ließen sich nieder. Menschen versammelten sich und Siedlungen wuchsen. Sie halfen sich gegenseitig, aber bald begann sich eine natürliche Ordnung herauszubilden. Die lange, unermüdliche Suche nach einer besseren Zukunft brachte Streit und Herrschaft innerhalb der Ordnung mit sich, als Gegenleistung für stabile Nahrung.

In den alten Zeiten konnten sie weg vom Elend nach einem ziellosen, aber anderen Leben streben. Mit der Ausbreitung der Vorherrschaft über die gesamte Erdoberfläche verlor die Tapferkeit allmählich ihren wahren Sinn und die Flucht wurde zum Gespött.

Einst führte ein Weg endlos vorwärts, egal zu Lande oder zu Wasser. Doch nun endete er in einer Sackgasse. Der Weg führt uns nicht zu Hoffnung und Freiheit mehr, sondern zu Unheil und Verzweiflung. Man hat aufgehört, sich ins Unbekannte zu stürzen und schließt sich in die eigene Höhle ein.

Die eigenen Augen und Ohren verdeckend, zieht man die Stille der gärenden Sehnsucht nach einem fernen Ziel vor. Abkapselung in gesicherter Gesellschaft, nicht in der Wildnis, wo die Bestien umherstreifen. Ein warmes Bett statt eines Abenteuers im tosenden und frierenden Meer.

Keine Träume von umgestürzten Bäumen und einer wunderschönen Küste, die von brausenden Wellen, groß wie ein Wald, weggespült wird. Unzählige Tage auf dem brodelnden Sommermeer treibend, ausgemergelt und sterbend, auf den Regen wartend. Das Grauen der Nächte auf dem Meer in der beängstigenden Dunkelheit, die sie auf Schritt und Tritt bedroht. Das Wunder von Abermilliarden von Sternen am Himmel nach einem Sturm. Der Sonnenuntergang rötlich wie das Ende der Welt. Das Mondlicht, das die gesamte Oberfläche des Meeres versilbert wie der Herrscher einer toten Welt.

Die erdrückende Unterredung um das Leben mit einem fremden Stamm in einem fremden Land. Das Blutbad zwischen Clans und die beginnende Liebe zwischen jungen Menschen aus verschiedenen Stämmen. Die Freude über die Ernte und die unendliche Zahl von Behausungen, die durch Dürre und Pestilenz zugrunde gingen. Eine Vielzahl von Opfern, die von Schurken und Kriegern, die plötzlich aus dem Nichts auftauchten, abgeschlachtet und gedemütigt wurden.

Ein eintöniges Leben, das sich nie änderte, egal wie sehr man sich bemühte, von der Wiege bis zum Tod. Kleines, unzuverlässiges Glück kam kaum im Leben vor. Tragödien ereignten sich alltäglich.

Fast alle Erinnerungen an die Sehnsucht nach einer besseren Welt sind auf dem Meer gestrandet und in der Tiefe versunken. Viele, viele Jahrhunderte sind wir den langen, langen Weg gegangen und haben schließlich das Glück gefunden. Jedoch haben wir uns verlaufen und sind stehen geblieben. Der Weg erreichte einen Endpunkt, der nirgendwo mehr hinführt.

Der Weg, auf dem niemand mehr geht. Das Gras ist verwelkt und die Bäume liegen im Staub vertrocknet. Die fernen Berge sind mit einem Meer aus roter Lava bedeckt. Flora und Fauna sind am Aussterben. Niemand kümmert sich um irgendetwas. Aber der Weg ist noch da.