Begegnung 22

Nun fuhr er mit dem Fernstreckenbus von Istanbul über Thessaloniki, wo er umstieg, und fuhr weiter mit dem Zug nach Athen. In einer Jugendherberge wurden sechs Leute aus verschiedenen Ländern in ein Zimmer mit drei Doppelbetten untergebracht. Ein Student aus England hörte BBC sehr laut, als ob niemand dort als er wäre, jedoch keiner sagte etwas zu ihm. Halb schlafend ging er zum Bahnhof am nächsten Morgen. Dann fuhr er nach Patras, von dort aus nahm er eine Fähre nach Brindisi.

Am Bord saß eine junge Frau neben Yu. Sie sagte ihm, dass sie Tochter eines polnischen Diplomaten ist und ihre Familie ständig umziehen musste. Ungewöhnlich für Menschen aus kommunistischen Ländern sprach sie Englisch. Als sie wusste, dass Yu aus Japan kam, zeigte sie Interesse an ihn und sie begannen, trotz seiner schlechten englischen Kenntnisse, einander zu sprechen. Der große Spalt zwischen den Armen und den Reichen in kommunistischen Ländern verwirrte ihn. Die bettelnden Leute in Jugoslawien, mit Maschinengewehr ausgerüstete Soldaten im Zug, gut ausgebildete Frau aus Elitenfamilie, prächtige Topkapı-Palast oder zusammenfallende alte Häuser tauchten in seinem Kopf einem nach dem anderen und drehten sıch. Ausgestiegen an Brindisi, nahmen die beiden zufällig einen gleichen Zug nach Rom. Dann stieg sie in Rom aus, sagend, dass er sie in Rom später besuchen sollte, ohne ihre Adresse zu sagen. Dann schwand sie unter der Menge.  

Von Roma Termini nach Villa San Giovanni dauerte es noch mehr als fünf Stunden. Dort wurde die Hälfte der Waggons abgekoppelt und der Rest auf eine Fähre gesetzt und nach Messina in Sizilien befördert. Es kostete noch einige Stunden bis zum Hotel, das Yu gebucht hatte. Als er ins Hotel eintritt, war ein junger Mann mit schmalem Bart am Empfang. Als Yu seinen Namen sagte, sagte der Mann auf Englisch, ohne sein Gefühl zeigend, nur Zimmernummer und überreichte ihm einen Schlüssel in die Hand. Sofort erinnerte der Mann ihn an einen Film von Mafia, den er früher gesehen hatte. Yu hatte überhaupt keine Ahnung von Sizilien. Er konnte sogar nicht ins Bewusstsein rufen, warum er nach Sizilien kommen wollte. Wollte er sich nur aus Neugier, die wirklich vom Film angelegt wurde, hierherkommen, oder wollte er sich, so weit wie möglich, weit von Deutschland entfernen? Gleich nach dem Einchecken ging er durch die Stadt. Vom hohem gelben Steinmauer, die mehrere Hundertmeter um ein großes oranges Gebäude herum umschloss, ließen sich hohe Palmen in einem gewissen Abstand blicken. Die Sonne war hoch und grell. Schweiß lief ihm gnadenlos über den Nacken. Die Stadt schien orange brennend. Nasses Unterhemd klebte unangenehm auf der Haut. Er spürte keine Intimität hier, wie er in Istanbul gehabt hatte. In Istanbul schien ihm alles anzusprechen, enge Gasse, verfallene Wände, Geräusch der Straße… Hier fühlte er nur Einsamkeit. Er wollte Deniz anrufen. So suchte er Kiosk, jedoch konnte er keinen Jeton zum Anruf kaufen.      

Ohne zu wissen, was er tun sollte, verbrachte er zwei Nächte in dem Hotel. Am Nachmittag ging er der Küste entlang lange Zeit und warf den Blick ins Meer vor sich hin. Das dunkelblaue Meer streckte sich weit in die Ferne, jedoch konnte er sich nicht vorstellen, was drüben sein könnte.

Nach der Rückkehr mit dem Zug und der Fähre ins Festland nahm Yu einen Zug nach Mailand. Gegen Mitternacht war er fast allein im Waggon, da öffnete sich die Tür und erschien eine junge große Frau mit schwarzer Lederjacke und setzte sich ihm gegenüber. Ihre Haare waren halb rasiert und andere Hälfte war pink und blau gefärbt. Kaum dass er sie erschrocken ansah, kamen zwei Männer durch die Tür und setzte sich neben ihr. Sie schienen ihr nachzulaufen, um sich an ihr heranzumachen. Yu streckte sein Bein zwischen der Frau und den Männern und sah scharf die beiden an. Sie versuchten sie noch eine Weile einzureden, dann standen auf und verließen. Sie atmete auf. Yu fragte sie, woher sie kam. Sie sagte, sie aus Amerika kam, um durch Europa allein zu reisen. Bis dann hatte er nie mit jemanden mit Punkfrisur gesprochen. Nun erkannte er, dass sie trotz ihres Aussehens keine extreme Person, sondern mutig war. Er erinnerte, dass eine italienische Studentin einmal sagte, dass das Gerücht, dass italienische Männer Frauen immer nachlaufen, eine Tatsache ist. Inzwischen kam der Zug endlich in Mailand an.   

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