Abschied 2
Zwischen Wolken und Meer, wo sich Dunkelheit und Licht kreuzten, langte der Flugzeug schlaflos in Hongkong an. Dort wollte Yu eine Woche verbringen, denn er keine Ahnung hatte, wo er in Japan wohnen sollte. In der Menschenmenge im Flughafen schlang sofort die feuchte Luft mit einem Geruch ihn um, das mit tropischen Pflanzen und exotischen Speisen gemischt war, was ihn bemerkbar machte, dass er in Asien war. Er hatte keinen Plan dort. Da es schon dunkel war, wollte er Unterkunft finden. Er ging zum Reisezentrum, um ein Hotelzimmer zu finden, jedoch waren alle Zimmer schon besetzt. Er rief einige Hotels an oder fragte am Empfang einiger Hotels nach Zimmer, aber alles war erfolglos.
Erneut war er ratlos. Dann tauchte ein Mann in ihm auf, den er auf einer Konferenz in Deutschland kennengelernt hatte. Freundlicherweise gab er Yu seine Visitenkarte. Er sagte, dass er in Hongkong unterrichtete. In der Tat fand er seine Karte in seiner Brieftasche. Als er ihn von einer Telefonzelle anrief, meldete er sich. Zuerst brauchte er Zeit, sich an Yu erinnerte, zögerte er, dann sagte er, er dürfte bei ihm bleiben.
Vom nächsten Tag ging er durch die Stadt herum. Unter modernen Wolkenkratzern wimmelten so viele Menschen. Überall waren von unzähligen Geschäften und Restaurants besetzt und Geräusch und Geruch herrschte die ganze Stadt. Auf einer Gasse, wo Müll und Staub vom Wind verweht waren, ging eine alte Frau barfuß vor Yu. Reichtum und Armut wohnten hier so viel wie möglich sichtbar zusammen, was für Yu surrealistisch vorkam.
In Shenzhen, wo nicht weit von Hongkong, führte ihn und einige ausländische Touristen ein chinesischer Führer zu einem veralteten kleinen Betonhaus, wo eine alte Frau wohnte. Am Fenster standen Flaschen von Coca-Cola mit Preis. Sonst gab es nur ein Bett, worauf sie saß. Man verstand sofort, was erwartet war und gaben ihr ein bisschen Geld für eine Flasche. Sie dankte. Auf dem Markt waren alle mögliche Tiersorte verkauft, wie Schweineköpfe und -beine, hängende Hühner, Schlange oder mehrere Tiere, die Yu vorher nie gesehen hatte. Wegen des gestrigen Regens waren die Schuhe von allen schlammig.
Wenigstens während des Aufenthaltes in Hongkong konnte er den Teufelskreis des Dilemmas eine Weile vergessen. Aber das brachte keine Lösung. Erneut dachte er, was er in Europa gelernt hatte. „Was hat ihn verändert?“, fragte er sich selbst. Jedoch fand er keine Antwort. Er war immer noch unentschlossen und zaghaft. Er dachte, dass er schließlich ohne positive Veränderung erfolglos nach Hause zurückkehren musste. Was er geleistet hatte, war, dass er mehr Leute verletzt hatte. Leere und Traurigkeit erfassten ihn.
Der Tag der Abfahrt nach Japan kam. Es musste schon Herbst sein, aber die Luft im Flughafen war immer noch schwül und voll von eigenartigem Geruch. Das Flugzeug flog ab und der Himmel war immer noch blau wie damals, wo er Deutschland verlassen hatte. Riesige Wolken verschluckten das Flugzeug und die Sicht war vollkommen verloren. In wenigen Stunden sah man See und Land wechselhaft. Die Erinnerungen mit Deniz tauchten ihm im Kopf einer nach dem anderen wie die Wolken auf. Er versuchte sie umsonst mit den Händen zu fassen. Das bekannte grüne Feld nahte immer mehr. Das Flugzeug ratterte und alles in seinem Kopf verschwand. Er war wieder da. Das war gerade das, was er gefürchtet hatte. Die Tür wurde geöffnet und die schwüle Luft haftete an seine Haut.