Begegnung 9

Die Universität lag etwas außerhalb der Stadtmitte, so dass sich das Leben der Studenten hauptsächlich in der Umgebung der Universität abspielte. Viele Studenten hatten nach dem Unterricht eine Mahlzeit in der Mensa, um sich mit ihren Kommilitonen zu unterhalten, oder sie verbrachten ihre Zeit in den großen Sportanlagen im Untergeschoss der Universität. Die Leute spielten Tischtennis, Handball und Volleyball, und viele schwammen im Schwimmbad. Yu nahm etwa sechs Monate lang an einem Tai-Chi-Kurs teil, der von einem taiwanesischen Studenten geleitet wurde, aber es schien Jahre zu dauern, bis er sich eine Reihe von Formen einigermaßen aneignen konnte.

Obwohl die meisten von Yus Beziehungen zu asiatischen Freunden bestanden, hatte er auch nicht wenige Kontakte zu Deutschen, und viele dieser Deutschen interessierten sich für Japan. Sie schienen sich zu wundern, warum Japan, ein von fast kolonialisierten asiatischen Ländern, einen Krieg mit dem Westen begonnen hatte und wie es trotz seiner Niederlage zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt geworden war. Die Deutschen verglichen die Situation Japans mit der ihres eigenen Landes. Deutschland wurde von anderen europäischen Ländern, insbesondere von Frankreich, das behauptete, orthodoxer römischer Abstammung zu sein, immer als Fremdling betrachtet, während die Deutschen stolz darauf waren, ein Land der Kultur und Philosophie zu sein. Obwohl Japan seit der Meiji-Ära enge Beziehungen zu Deutschland unterhielt, hatte Yu noch nie eine wirkliche Nähe zu den Deutschen empfunden. Andererseits war Deutschland, worüber er die Geschichte gelernt hatte, in gewisser Weise ein Land, über das Yu gut wusste, weshalb ließ die Kluft zwischen dem  historischen Deutschland und der kulturellen und ethnischen Vielfalt des Landes ihn in Ratlosigkeit geraten. Außerdem schienen viele Deutsche ausländische Studierende nicht so ernst zu nehmen wie ihre deutschen Studierenden. Für die Deutschen waren Ausländer immer noch nur Kinder von Einwanderern oder vorübergehende Gäste.

Jedoch konnte Yu nicht umhin, bald sich seine Nichtteilnehmer-Haltung im Leben in Deutschland zu verändern.  Die erste eindrucksvolle Vorstellung von Deutschland überfiel ihn beim Betreten eines großen Kaufhauses in Deutschland. In diesem Moment wurde Yu von einer geblendeten Halluzination heimgesucht. Der gesamte Raum, der von intensivem Licht erhellt wurde, war erfüllt von dem Duft verschiedener Parfümmischungen, die von überall her stammten, und er fühlte sich wie in einem Garten voller duftender Blumen, aber natürlich waren nirgendwo Blumen zu sehen, und er verlor die Orientierung. Es hinterließ einen starken Eindruck in Yus Gedächtnis, wie etwas, das er bis jetzt nie erlebt hatte. Der Duft erinnerte ihn an eine sublimierte westliche Sexualität ohne physischen Körper, und wenn der Duft sofort zu verschwinden schien, war er wieder da und löste eine primitive und direkte Empfindung des Geruchssinns nach der anderen aus. Es war eine Sehnsucht nach etwas Unbekanntem, aber gleichzeitig war es wie eine ungeformte sexuelle Erfahrung, der er plötzlich begegnet war. Es könnte auch das Europa sein, das Yu sich immer vorzustellen versuchte. Jedoch, nun, begann die vage Vorstellung vom fremden Land, durch die Gestalt einer realen Person eine immer klarer Form zu nehmen.

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