Begegnung 5

Am nächsten Morgen musste Yu’s Gruppe wie üblich früh aufstehen. Am Vormittag fuhr sie mit dem Bus zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten, unter anderem nach Charlottenburg oder zu einigen öffentlichen Gebäuden, wo die Teilnehmer einige Vorträge über die Geschichte Berlins anhörten. Deutschland war immer noch von den Alliierten besetzt und in vier geteilten Sektoren waren britische, französische, amerikanische und russische Truppen stationiert. Der Krieg war offiziell noch nicht beendet. Als Yu amerikanische Panzer auf der Autobahn fahren sah, verstand Yu die politische Lage als Realität. In der Tat waren mehrere Kasernen amerikanischer und französischer Soldaten an verschiedenen Orten zu sehen.

Nach dem Mittagessen in einem Restaurant war der Nachmittag wieder frei. Manche Studenten und Studentinnen gingen schnell ins Stadtzentrum. Die übrigen Leute gingen in das berühmte Einstein-Café. Pablo, Anastasia, Deniz, Kouame, die koreanische Studentin, die sich dafür sorgte, dass Yu ein Zimmer im Studentenwohnheim mieten konnte, kannten sich einander, und sie alle entspannten sich und scherzten miteinander, und es wurde allmählich laut in dem großen, hohen, hell erleuchteten, etwas tiefbraunen Holzbau. Deniz setzte sich vor Yu, und er fühlte sich Deniz näher, obwohl sie nicht wussten, was sie sagen sollten. Vor ihr, die so unschuldig zu sein schien, wurde ihm vor Scham heiß bis in die Ohren, als er sich daran erinnerte, was letzte Nacht geschehen war. Nach einer Weile verließen alle das Café, um woanders zu essen. Unterwegs unterhielt sich Pablo aufgeregt mit Anastasia. Yu ging ebenfalls mit Deniz, Nun redeten sie von lebhaft von ihren Eindrücken in Berlin. Endlich traten sie alle in ein italienisches Restaurant ein. Während des Gesprächs bemerkte Deniz, dass sie ein Gedenkfeuerzeug, das sie in dem Café gekauft hatte, dort vergessen hat. Sie sah sehr enttäuscht aus. Unbewusst stand Yu auf und sagte, er würde es vom Café holen und verließ das Restaurant. Yu hatte jedoch keine Stadtkarte dabei. Er bog unterwegs falsch ab, verlor die Orientierung und wusste nicht, wo er war. Nachdem er in Panik umhergelaufen war, kehrte er schließlich ins Restaurant zurück. Alle waren des Wartens müde. Anstatt enttäuscht zu sein, bedankte sich Deniz wiederholt bei Yu.

Die Gruppe von Studenten besuchte auch Ost-Berlin. Sie hatten eine Chance, einheimische Bewohner in Ost-Berlin zu besuchen. Deniz’ türkische Freundin Ayse wurde von einer deutschen Bekannten gebeten, ihren in Ost-Berlin lebenden Verwandten Souvenirs und Geld zu geben. Im voraus hatten sie ein Treffen vereinbart. Am Checkpoint Charlie, einem überraschend schlichten Gebäude, zeigte man die Pässe vor, tauschte Deutsche Mark in Ost-Mark um und ging zum Alexanderplatz im Osten, wo hohe graue Gebäude mit gleichmäßigem Muster und Reihen kleiner Fenster sporadisch standen. Am Ende des Platzes waren einige Gruppen von Menschen zu sehen. Sie waren alle nüchtern gekleidet. Ein Paar von alten Leuten waren die Verwandten, die Ayse indirekt kannte. Sie umarmten sich, dann gingen sie zum Abendessen in ein nahe gelegenes Restaurant. Ayse lud Deniz und Yu zum Essen ein. Das alte Paar waren sehr zurückhaltend, jedoch so neugierig auf Ergehen ihrer Verwandten in Westdeutschland.  Sie sagte von ihrem Alltag, sie hätten relativ viel Ersparnisse, jedoch sie könnte nicht ausgeben, weil es wenige Sachen, die sie kaufen, gäbe. Nach einigen Stunden war es an der Zeit, nach West-Berlin zurückzukehren. Ayse gab ihnen Westmarke und Souvenirs wie Zigaretten, die im Osten schwer zu bekommen waren. Das alte Paar dankte ihnen.

Danach gingen Yu und Deniz zusammen spazieren und spürten die dicke, gespannte Luft der außergewöhnlichen Welt im östlichen Teil der Stadt, wo große historische Kirchen und Musiksäle nebeneinander standen und wo es sich einst prächtig leben ließ. Wenn Yu Deniz neben ihm ansah, wirkte sie wie ein schöner Junge, der in seiner neugeborenen Schlichtheit glänzte. Es schien Yu, dass es ein Wunder wäre, dass er mit diesem liebenswerten und schönen Lebewesen hier und jetzt zusammen sein durfte, während sich Qual und Kummer von den Leuten im Osten, die er eben kennenlernte, immer mehr  von Yu entfernte.

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