Begegnung 3

Die Universität organisierte eine fünftägige Busreise nach Berlin für ausländische Studierende und wollte auch alle Kosten dafür übernehmen. Rund 20 Studierende wollten daran teilnehmen. Die meisten von ihnen kannten sich bereits von Sprachkursen und Partys, so dass die Atmosphäre im Bus entspannt war. Neben Yu saß ein argentinischer Student. Die beiden kannten einander schon seit einer Weile. Dieser Student, Pablo, war schon seit einiger Zeit in eine junge Griechin namens Anastasia vernarrt. Sie sah genau wie eine wohlproportionierte griechische Skulptur aus. Sie sprach gut Deutsch.

Sie saß schräg gegenüber von Yu und Pablo und lachte und unterhielt sich fröhlich mit einer anderen Studentin neben ihr, die Yu bereits kannte. Er begegnete ihr einmal in der Bibliothek und ein zweites Mal auf einer Party im Studentenwohnheim. Das dritte Mal sah er sie, als sie auf dem Universitätsgelände mit der an Depressionen leidenden türkischen Studentin ging. Als er die beiden zierlichen jungen Frauen reden sah, erinnerten sie Yu irgendwie an kleinen Elfen. Dort redete Yu sie erst an. Seitdem grüßte Yu sie jedes Mal, wenn er sie auf dem Universitätscampus sah. Yu hatte das Gefühl, dass er mit ihr reden musste. Sie hieß Deniz, hatte schöne große schwarze Augen und sprach Yu von Anfang an offen an. Und sie war eine Freundin von Anastasia.

Deniz kam vor drei oder vier Jahren zu ihrer Familie nach Deutschland, besuchte eine Zeit lang ein Studienkolleg in Deutschland, machte ihr Abitur und wurde Soziologie-Studentin. Ihr Vater arbeitete seit mehr als zehn Jahren in einer Autowerkstatt in Deutschland, und Deniz’ Bruder schien auch bei ihm zu leben. Ihre Mutter wollte nicht in einem fremden Land leben und blieb aus freien Stücken allein in ihrem Heimatland. Deniz’ Familie hatte auch mehrere Verwandte aus ihrer Heimatstadt in Deutschland, die sich gegenseitig halfen und nicht die Absicht hatten, gleich in ihr Heimatland zurückzukehren. Die freundschaftliche Atmosphäre der 1970er Jahre zwischen Deutschen und Türken war jedoch weitgehend verlorengegangen. Schon damals forderte die deutsche Regierung die Türken dazu auf, nach Hause zurückzukehren, weil die Deutschen sich fühlten, dass ihre Arbeit von den türkischen Arbeitern weggenommen wurde, obwohl die Türken meistens nur die Arbeiten übernahmen, die die Deutschen nicht machen wollten. Oft mussten die Türken für niedrige Löhne arbeiten. Sie waren trotzdem ehrlich und fleißig, um die Lebensgrundlage ihrer Familie sicherzustellen. In der verschlechterten Situation kehrten in der Tat viele Türken nach Hause zurück. Jedoch holten die in Deutschland lebenden Türken ironischerweise ihre Familien aus der Türkei nach, so dass die Gesamtzahl der Türken in Deutschland konstant bei etwa 1,5 Millionen blieb. Die türkische Gesellschaft befand sich im Wandel von der ersten Generation zur zweiten. Anders als die erste Generation wurden die türkischen Kinder in deutschen Schulen untergebracht und viele von ihnen sprachen fließend Deutsch und hatten deutsche Freunde. Jedoch erwarteten die meisten Eltern von ihren Kindern immer noch die gleichen Werte wie ihre, aber ihre Kinder wussten, dass die Werte relativ waren. So gehorchten sie ihren Eltern zu Hause so weit wie möglich, verhielten sich aber draußen eher in einer deutschen Weise.

Vor allem viele sozial anpassungsfähige türkische Jugendliche, insbesondere junge Frauen, standen vor Dilemma. Auch wenn Frauen in der säkularisierten Türkei nur noch selten das Hijab oder das lange Abaya trugen, waren patriarchalische Tendenzen immer noch stark.

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