Anfang 18

Yu fuhr mit seiner Frau auch nach Flensburg, nahe der dänischen Grenze. Er dachte, dass er, wenn es in Deutschland ohnehin kalt sein war, die Kälte im Norden einmal erleben wollte. Auf der Gebäudebrache eines 1290 von Zisterziensermönchen errichteten Klosters baute Herzog Johann, Sohn von König Christian III. von Dänemark, 1587 ein Wasserschloss, Glücksburg, mit bunten Dächern, die im Wasser stand, das das Sonnenlicht des Winters widerspiegelte. Das Schloss, das im Laufe seiner jahrhundertelangen Geschichte eine herzogliche Burg mit engen Verbindungen zu den königlichen Familien Dänemarks, Griechenlands, Norwegens, Englands und Preußens gewesen sein soll, war von Schnee umgeben, und mehrere Schwäne schwammen auf der Wasseroberfläche, als wüssten sie nichts von der Geschichte des Ortes. Plötzlich wurde ihm schwindlig und we fühlte sich wie ein vollkommener Fremder in dieser Szene und wusste nicht mehr, wer er war.

Yu hatte immer gedacht, dass Erfahrungen unseres Alltags täglich banalisiert werden und der Alltag wie ein riesiger Bulldozer alles Außergewöhnliche unserer Erfahrungen zermalmt und platt macht. Auf der anderen Seite hatte er geglaubt, dass das Reisen das Gewöhnliche des Alltags wieder erneut aus einem anderen Aspekt erscheinen lässt. Nun aber fragte er sich, was das Gebäude und seine Geschichte mit ihm zu tun haben würde. Was bedeuten alle Geschehen wie die Thronfolge, die politischen Spiele, die Führung des Herzogtums, die Heiraten zwischen nordeuropäischen Königshäusern für ihn? Warum ist er nun überhaupt in ein fremdes Land gekommen und was will er hier erwarten? Was sind alle Kenntnisse und Erfahrungen im Ausland? Gibt es sogar eine winzige Verbindung mit ihm? Selbst wenn es sie gäbe, hätte sie irgendeinen Sinn für sein Leben? Er fragte sich, ob er seine Zeit mit solchen Dingen nur vergeudet hatte.

Nun klappte er den Reiseführer in der Hand zu. Selbst wenn er dort anwesend wäre, wäre nichts für ihn erreichbar. Du bist für immer ein Fremder, hörte er eine Stimme irgendwoher. War alles, was er mit einer Menge Zeit gelernt hat, umsonst, obwohl es ihm so wichtig erschienen war? Hatte er jahrelang um dieser lächerlichen Illusionen willen gelebt?

Yu war perplex, als er plötzlich mit etwas vollkommen Anderem konfrontiert würde, wie ein Riese vor ihm bedrückend erschien. Er hatte das Gefühl, dass die Kluft zwischen diesem Berg, wo er nun steht, und dem, den er auf der anderen Seite sieht, so groß war. Würde er in der Lage sein, das riesige Tal, das sich vor ihm auftat, zu überspringen, um den Berg von jenseits zu erreichen? Oder muss er am Fuße des Berges bleiben, wo er jetzt ist, und auf die Berge in der Ferne tatenlos nur schauen? Oder wird ihn die unbekannte Welt, die er nicht kennt, willkommen heißen und umarmen? Mit diesen Gedanken im Kopf ging Yu mit seiner Frau durch die Straßen der Stadt. Inzwischen verwandelte sich der kalte Wind in einen Schneesturm und Schneeflocken begannen aufzuwirbeln. Auf dem Weg nach Hotel spürte er die Kälte, die ihn ohne seinen dicken Lammfellmantel, die Winterhose und die Stiefel hätte frieren lassen. Große weiße Schneeflocken blockierten die Sicht nach ferne. Jedoch, in den beiden Seiten der Straße sah man bunt gestrichene Geschäfte, durch deren dicken, doppelt verglasten Fenster das Licht der Lampen der Geschäfte drang und es die weißen, eisigen Straßen in leuchtendem Gelb färbte.

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