Anfang 10

Yu’s Frau kam in Deutschland an. Das war auch für sie der erste Aufenthalt im Ausland. Obwohl sie schon seit Monaten in Japan mit Deutschlernen begonnen hatte, schien sie in einem vollkommen unbekannten Land vor Angst angespannt zu sein. Yu zog vom Hotel aus, um mit ihr in eine größere Wohnung einzuziehen. Die neue Wohnung  befand sich im siebten Geschoss von achtstöckigem Gebäude und hatte ein Ess- und Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. Ihrem Zimmer gegenüber wohnte ein junges Ehepaar, wovon beide Erziehungswissenschaft studierten. Im unteren Werkstück wohnte ein Paar von einem Deutschen und einer Japanerin.  Von der Ecke des Zimmers streckte sich eine lange Metall-Arm einer Hängelampe zur Mitte, unter der der Mann auf dem Sofa saß und telefonisch Aufträge gab. Der Mann war privater Wertpapiermakler, der die Aktien seiner Freunden handelte. Yu wunderte, wie ein solches Geschäft überhaupt möglich ist.  Das Zimmer roch immer schwach nach Fisch. Der dicke Mann mit Vollbart sah immer gutmütig und sanft aus und seine schlanke Frau erwartete ein Kind. Yu vergaß, wie sie einander kennengelernt hatten. Nach langen Jahren hörte Yu, dass ihm das Geschäft schief gegangen war und er plötzlich verschwand, so musste seine Frau nach Japan zurückkommen. Yu hatte schon damals ein Gefühl gehabt, dass es ihnen nicht gut gehen würde, weil alles in ihrem Leben zu oberflächlich und zu einfach gelaufen zu sein schien.

Dazwischen waren ausländische Freunde für Yu mehr als Notwendigkeit, weil sie ihm das Gefühl der Sicherheit und Solidarität verliehen. Als Ausländer empfand Yu sich selbst oft marginal, jedoch gleichzeitig frei, was er zu Hause nie gehabt hatte. Die Ausländer bildeten eine Art leidender Gemeinschaft, was das Gefühl von Isolierung abnahm und eine familiäre Verbindung schufen. Yu aßen mit ihnen zusammen und unterhielten sich fast jeden Tag. Manchmal trafen sie sich früh morgens auf einer mit Tautropfen nassen Wiese. Wei machte eine Art von Leibesübung,  wie Yu in Japan kannte, und  versuchte, seinen Freunden noch Kun-Fu dadurch beizubringen, dass er zeigte, wie man den Fuß gen Himmel strecken sollte. Vor Schrecken vor Wei’s physikalischen Fähigkeit wagten Xianguo und Yu gar nichts nachzuahmen, was er ihnen vormachte.  Xianguo, als Forscher, war zu stolz, um ein Sportler zu sein.

Wie andere Chinesische Studenten von damals, jobbten sowohl Wei als auch Xianguo  bei einem China-Restaurant. Weil sie mit dem Umgang mit Leuten sehr tüchtig waren, konnten sie viel Trinkgeld kassieren.  Sie schienen keine Qualifikation in ihrem Studium erwerben wie Yu und in Deutschland so lange bleiben zu wollen, wie ihre finanzielle Lage es erlaubte. Yu wunderte, wie sich Xianguo nun als Kellner hier fühlte, weil er eine Art von Eliten in der chinesischen Gesellschaft gewesen war. Aber er schien sich darum gar nicht  zu kümmern.

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