Jugendzeit 1
Der Junge wurde als zweiter Sohn in einem fast vergessenen Dorf im nördlichen Landstrich von Japan geboren. Der ältere Bruder starb zweijährig aufgrund einer Krankheit, die von blauen Flecken nach dem Baden begleitet wurde, was die Mutter, die noch in ihren frühen 20er Jahren war, sehr betraf. Somit ist er ab jetzt der älteste und einzige Sohn und auch als solcher erzogen worden.
Als sein Vater sich von seiner Frau scheiden ließ, war der Junge vier Jahre alt. Bereits ein Jahr später heiratete er erneut und wohnte mit seiner zweiten Frau in einem kleineren Haus auf der anderen Straßenseite. Wie übrig damals kehrte die Mutter des Jungen nach Hause ihrer Eltern zurück, weil die meisten Frauen von Männern wirtschaftlich abhingen. Merkwürdigerweise hatte der Junge überhaupt keine Erinnerungen an seiner Mutter. Was er sich erinnern kann, war merkwürdigerweise eine Szene, in der die zweite Frau im Hochzeitkleid durch den Hauseingang trat, was den Jungen sehr beeindruckte. Viel später, als er Student wurde, wunderte er sich, warum überhaupt keine Spur von den Erinnerungen an seine Mutter in ihm übrig bleiben konnte. Vermisste er nicht die Abwesenheit seiner Mutter? Weinte er nicht lange Nächte ohne Mutter? Wie konnte er ohne Mutter überleben, war die Stiefmutter doch nicht besonders zu ihm nett?
Das Wohnhaus stand auf einer Anhöhe. Im Hinterhof wuchsen hohe Zedern und dahinter ging es bergab, hinein in einen Bambushain, der sich bis zum Nachbarn erstreckte. In einer Ecke des Hinterhofs befand sich ein kleiner Schrein, Ableger des größeren Schreins in der Gegend, wo man dem Amenohohi huldigte, einer mythologischen Gestalt aus der Geschichte des Tennos. Die Rolle des Schreins veränderte sich jeweils nach dem zeitlichen Bedürfnis. Dem Vater zufolge soll während des Zweiten Weltkrieges das Bild des Tennos am Altar gehangen haben.
Die Abwässer vom Haus flossen hinunter in den großen Bambushain, in den außer den Katzen und Hunden sonst niemand hineingehen wollte. Und richtig unheimlich wurde es vor allem, wenn bei Wind die Blätter in stockdunkler Nacht raschelten und die kalte Luft durch die Ritzen der Glastüren ins Haus eindrang, weil sie sich nicht mehr schließen ließen. Der Junge fühlte immer bei Nacht, wie etwas Übernatürliches im dunklen Bambushain, der wohl unsre Welt von dem Jenseits zu trennen schien, vor sich ging.
Hier und da troff das Regenwasser vom Dach hinein in die Küche, sodass die schweren Binsenmatten einsanken, wenn man auf sie trat. Die beiden Küchenherde aus Stroh und Lehm standen nebeneinander auf der blanken Erde und das Regenwasser floss entlang der Glühbirnen und Stromkabel und tropfte auf den Boden. Dem Jungen sah die Welt irgendwie abgetragen und brüchig aus.
Der Junge schlief zusammen mit seinen Großeltern im gleichen Schlafzimmer. Die Großeltern waren quasi für den Jungen Ersatzeltern, die seinen geistigen Mangel erfüllten, weil sich sein Vater mehr mit seiner neuen Frau beschäftigte, als mit ihm.
In der Mitte des Hauses befand sich ein Innengarten mit einem anmutig gewundenen Ahornbaum im herbstbunten Laub. Der Junge dachte immer, warum der Baum in der Mitte des Hauses stand. Vielleicht war er eine Spur, die seine Vorfahren von der guten Zeit hinterlassen haben. Jedoch hob er nur noch den Unterschied zwischen Jetzt und Gestern traurig hervor.
Durch die Spalten der rotbraun verfärbten Holzrahmen der Schiebetüren blies der kalte Wind ins Haus hinein wie hungrige Mäuse durch die Löcher in der Wand. Im Winter war so kalt, dass im Glas neben seinem Bett am nächsten Morgen, wenn der Junge aufwachte, das Wasser gefroren war.